Dorfhaus

Dorfgeschichten

 

Die Treibjagd-Nachfeier

Eine Geschichte aus dem Jahr 1966 von Reinhard Piechocki
 

Jägerglück: Rudi Tiegs (*1934 / †1994) I Albert Seeck (*1924 / †2007) I Bruno Stresemann (*1921 / †2012?)

 
Traditionell gibt es auf Rügen bei Treibjagden Kartoffelsuppe mit Bockwürstchen aus der Gulasch-Kanone. Doch in Kasnevitz hatte es sich eingebürgert, in der Gaststätte „Zur Linde“, einen zünftigen Gulasch zu essen. Vor dem gemeinsamen Essen wurde die Jagd abgeschlossen mit der stimmungsvollen „Zurschaustellung“ der Beute. Dies ist ein alter Brauch, der seinen Ursprung in einer Ehrenbezeugung gegenüber dem Wild hat. Das korrekte Legen ist ein aufwendiges und schwieriges Prozedere: Zuerst das Hochwild, dann das Niederwild; Männliches Wild vor weiblichem Wild; starkes Wild vor schwachem Wild; Haarwild vor Federwild; jedes zehnte Stück der Art eine halbe Körperlänge vorziehen. Dann nehmen die Schützen Aufstellung vor der Strecke. Hinter dem Wild stehen die Treiber und Hundeführer. Und die Bläsergruppe krönt den feierlichen Abschluss mit ihren Jagdhörnern.
 
Nach dem fröhlichen Gulasch-Essen hatten einige der Kasnevitzer Jäger die Idee, den Abend in der kleineren und gemütlicheren Kneipe bei der „schwarzen Erna“ ausklingen zu lassen. Wie munter es bei so einer Nachfeier zugehen kann spiegeln die Witze wider, der in der Jägergesellschaft lebendig sind: „Treffen sich zwei Jäger im Wald. Beide tot“. „Was ist der Unterschied zwischen einem Jäger und einem Jagdhund? Ein Jagdhund braucht mehr Prüfungen“. „Frau seines Lebens getroffen. Jäger wieder solo“. Doch zurück zu den Kasnevitzer Jägern: Der Jagderfolg war beträchtlich. Aber der Alkoholkonsum ebenso! Nach Mitternacht stützten sich die Jäger gegenseitig, um die Gaststätte zu verlassen. Trotz der gegenseitigen kameradschaftlichen Hilfe gab es viele Probleme, den kürzesten Weg nach Hause zu finden. Und was nie passieren darf, passierte: Etliche hatten ihre Jagdgewehre in der Gaststätte vergessen! Das hätte zum Einzug der Jagdberechtigung gereicht. Doch die „schwarze Erna“ war wie immer tüchtig und fürsorglich. Sie hatte die Flinten sorgfältig verschlossen, und am nächsten Tag kamen die Jäger klammheimlich vorbei …

Ende Juni 2021 erscheint das Buch „Dorfgeschichten“ von Reinhard Piechocki

Softcover, Format: 16,5 x 24 cm I 224 Seiten, ca. 190 Abb. I Preis: 19,90 Euro
Weitere Informationen zu diesem Buch entnehmen Sie bitte dem beigefügten PDF-Fyler.
 
 

Kasnevitzer Brandschutzhelfer, 1988

 

Episoden

Mittelalter (14./15. Jhd.) Kirchenbau – Dorfkrug – Sonnenuhr
Frühe Neuzeit (16./17. Jhd.) Armut – Kriege – Seuchen – Prügelstrafen
Pietismus und Aufklärung (18. Jhd.) Frömmigkeit – Brandstiftung – Leibeigene
Preußenzeit (19. Jhd.) Fürstentum – Turmbau – Dampfmaschinen
Frühes 20. Jahrhundert (1900 – 1933) Elektrifizierung – Motorisierung – Tourismus
Nationalsozialismus (1933 – 1945) Judenverfolgung – Kriegstote – Flüchtlinge
Nachkriegszeit (1945 – 1949) Befreiung – Verzweiflung – Bodenreform
DDR-Zeit (1949 – 1990) Kollektivierung – Verstaatlichung – Gleichschaltung
Gegenwart (1990 – 2021) Einbrüche – Umbrüche – Aufbrüche
 
 

Krakvitzer Tanzgruppe, 1957

 

Themen

Alleen – Archäologie – Bevölkerung – Biosphäre – Bürgermeister – Chorgesang – Essen – Feuerwehr – Fischerei – GaststättenHandwerk – Humor – Industrialisierung Jagd – Kunst – Landwirtschaft – Musik Naturdenkmale – Pastoren – Post – Religion – Schulwesen – Seuchen – Sport – Tanz – Vogelwelt
 
 

Kutsche des Pastors, 1914