Archiv 2023

14. 10. 2023 | Eröffnung Lukas Pusch

Lukas Pusch | Ein Paradies in Gefahr

Landschaftsbilder als Widerstand

O.T. (Im Garten von Prof. Hans D. Knapp), Öl auf Leinwand, 200 x 300 cm, Lukas Pusch, Wien/Rügen, 2023

 

Eröffnung: Samstag, 14.10.2023 | 17.00 Uhr
Dauer der Ausstellung: 15.10 – 26.12. 2023

Begrüßung: Martin Hurtienne | Dorfhaus Kasnevitz
Laudatio und einführende Worte: Prof. Dr. Hannes D. Knapp | Insula Rugia e.V.
Der Künstler ist anwesend.

Veranstalter der Ausstellung ist die Initiative Dorfhaus Kasnevitz und INSULA RUGIA e.V.

Lukas Pusch | Ein Paradies in Gefahr

Landschaftsbilder als Widerstand

Es sind schöne Landschaften. Schöne Landschaften der Insel Rügen und Gartenbilder. Gartenbilder aus dem Garten von Professor Doktor Hannes D. Knapp in Kasnevitz, die der Wiener Künstler Lukas Pusch gemalt hat und die er jetzt im Dorfhaus ausstellt. Der Geobotaniker Hannes Knapp wohnt dort mit seiner Familie seit vielen Jahren im alten Pfarrhaus. Der riesige dazugehörende wildromantische Garten gleicht mit seinen hunderte Jahre alten Bäumen einem Garten Eden, einem Garten als streng behütetes Rückzugsgebiet der Natur. Er ist ein kleines Paradies auf einer Insel, der Insel Rügen.

Die Vorgeschichte zur Ausstellung von Lukas Pusch im Dorfhaus in Kasnevitz begann vor fast 15 Jahren in Sibirien. Damals kreuzten sich die Wege des Wiener Künstlers und jene des Rügener Geobotanikers Hannes Knapp in Kosch-Agatsch. Kosch-Agatsch ist ein Dorf im Altaigebirge, wenige Kilometer vor der russisch-mongolischen Grenze. Professor Knapp machte gerade einen Zwischenstopp auf dem Weg zum Altai Research Center der Mongolischen Akademie in Bayan-Ölgij, als er mit dem Maler Lukas Pusch auf dem staubigen Hauptplatz von Kosch-Agatsch ins Gespräch kam. Der Künstler war mit einem sowjetischen LKW ZIL-130 und einer Blechgaragengalerie auf der Ladefläche unterwegs, in der er Ausstellungen mit eigenen Werken und jenen von lokalen sibirischen Künstlern zeigte. Der Wiener erklärte dem erstaunten Professor, dass er seine skurril anmutende Reise als Spurensuche nach einer vergessenen, romantischen Tradition der Moderne verstand. Eine Spurensuche in der Tradition der russischen Peredwischniki- Bewegung, die ihn von Paul Gauguin auf Tahiti bis in entlegenste Gebiete Sibiriens und später bis nach Kamtschatka führte.

Die Jahre der Pandemie bedeuteten ein erzwungenes Ende dieser Reise. Und als die Pandemie zu Ende ging, begann der Krieg. Der Krieg Russlands in der Ukraine. Ein Krieg, der alles veränderte und in Lukas Pusch, der in der Sowjetunion studiert hatte und sich fast sein gesamtes Leben für eine Annäherung zwischen Ost und West einsetzte, eine tiefe Depression auslöste. „Komm doch nach Rügen. Du kannst vier Wochen mit Deinem Sohn im Haus meiner Eltern wohnen…“ meinte Hannes Knapp, als er im Sommer 2022 mit Lukas Pusch telefonierte. Überwältigt von der Schönheit der Insel und dem paradiesischen Garten begann Lukas Pusch auf Rügen wieder zu malen und erste Skizzen zu machen. Er erfuhr, dass Caspar David Friedrich, einer der Begründer der deutschen Romantik, viele seiner Wanderungen auf Rügen, nachweislich in Kasnevitz, begann, und dass sein Freund Hannes Knapp unter einem Gemälde von Caspar David Friedrich auf Rügen geboren wurde. Und so begann sich für Lukas Pusch langsam wieder ein Kreis zu schließen, ein Kreis auf der Suche nach den romantischen Traditionen der Moderne. Romantischen Traditionen auf Inseln, Inseln wie Rügen, einer Insel, die heute in Gefahr ist. Die deutsche Bundesregierung will auf Rügen gegen den Willen der Bevölkerung ein riesiges LNG-Terminal samt Pipeline in ein küstennahes Naturschutzgebiet bauen. Unter Umgehung sämtlicher Umweltauflagen drohen vierzig Meter hohe und mit Chlor zu reinigende Flüssiggastanker eine der schönsten Küstenlandschaften Deutschlands nachhaltig zu zerstören. Die Auswirkungen auf die Natur und die lokale Wirtschaft wären verheerend. Eine Zerstörung, die wir nicht zulassen dürfen.

Die Landschaftsbilder von Lukas Pusch sind in diesem Kontext nicht einfach nur schöne Bilder, sie sind auch ein Protest gegen die geplante Umweltzerstörung und den Krieg. Sie sind ein Plädoyer für Frieden und den Schutz einer der schönsten Naturlandschaften Europas. Ein Plädoyer für den Erhalt eines kleinen Umweltparadieses. Einem Paradies in Gefahr. (Wien/Kasnevitz, September 2023)
 

Bilder von der Ausstellungseröffnung

 


 

Lukas Pusch, 1970 in Wien geboren, studierte Malerei in Wien, Moskau und Dresden. Obwohl seine Arbeiten häufig als Provokation empfunden werden, geht es Lukas Pusch in erster Linie um Bildfindungen und künstlerische Autonomie. Seine Arbeitsweise kann als eine Kombination aus psychoanalytischer freier Assoziation und Recherche bezeichnet werden. Zu seinen spektakulärsten und weltweit rezipierten Arbeiten zählen die Gründung der White Cube Gallery Novosibirsk (2008), dem ersten Zentrum für Gegenwartskunst Sibiriens, und die Gründung von Slum-TV (2006), einem lokalen TV-Sender in Mathare, Nairobi – einem der größten Slums Afrikas. Die mit seinen Holzschnitten gestaltete Weihnachtsausgabe der österreichischen Tageszeitung Die Presse (2010) wurde international, zweimal in Folge, mit dem European Press Award ausgezeichnet. Im Malereizyklus Flora Sibirica begibt sich der Künstler Lukas Pusch in die Bildtradition einer politisch verfemten Avantgarde. Gleichzeitig verweist er damit auf Jahrhunderte eines regen Austausches zwischen Ost und West und die politischen Aspekte von Landschaftsmalerei. Die Weltpremiere seines sibirisches Roadmovies Neues Tahiti musste 2020 wegen der Corona-Lockdowns abgesagt werden und wurde seither noch nie öffentlich gezeigt.

Ausstellungen (Auswahl):
Albertina Wien (A), Kunsthalle Wien (A), Kunsthalle Graz (A), Shedhalle Zürich (CH), MOMA PS1 (USA), Guggenheim Museum Bilbao (H), Kunsthalle Luzern (CH), Griffelkunst (D), Galerie Hilger (A), Galerie Konzett (A), Galerie Knoll (A), Alliance Française de Nairobi (EAK), Art Cologne (D), Galerie Baer (D), endart (D), Buchhandlung Walther König (D/A), Neuer Pfaffenhofener Kunstverein (D), Moskau Biennale (RUS), Grafikbiennale Novosibirsk (RUS), Galerie Weltecho (D), Museums Biennale Krasnojarsk (RUS), Institute for Contemporary Art (LV), CAT Cologne (D), Kunstverein Nürnberg (D) u.v.a.

Publikationen und Künstlerbücher (Auswahl):
Flora Sibirica, Selbstverlag, Wien 2017
Lukas Pusch (Hg.), der Antist, Selbstverlag, Wien, seit 2015
Deutsche Moscheen, Ausst. Kat. CAT Cologne, 2015
Hurra! 1914 – 1918, Zucker Art Books, New York 2014
Kunstdiskurs mit einer sibirischen Kuh, Ausst. Kat. Kunstverein Pfaffenhofen, ZIL-130, Sensationsverlag, Waldhausen 2013
Lukas Pusch, Galerie Hilger, 2010
Kaiserwalzer, Verlag der Buchhandlung Walther König, 2009
Afrika, Verlag der Buchhandlung Walther König, 2008
CRASH, Verlag der Buchhandlung Walther König, 2008
Kunst und Politik, Selbstverlag, Wien 1996

Filme:
Я в Сибири – Ich bin in Sibirien (2005) Slum-TV (2006)
Neues Tahiti (2020)